Dieses Blog durchsuchen

Mittwoch, 9. Mai 2012

Eine Gedenkstätte im Stillstand

So lautet die Überschrift eines Artikels in der Zeitschrift ossietzky vom 14. April 2012.
Der Autor Dr. Helmut Kramer aus Wolfenbüttel weiß genau, wovon er spricht: Dr. Kramer hat jahrelang im Auftrage der niedersächsischen Justizministerin Heide Merk (SPD) über die Haftanstalt Wolfenbüttel geforscht. Dr. Kramer war Richter am Oberlandesgericht in Braunschweig und hat bei seiner Forschungsarbeit über die Justiz in der Nazizeit zum Beispiel einen Prozess gegen eine Braunschweigerin, die wegen Plünderung hingerichtet wurde, erneut aufgerollt und erreicht, dass diese Frau postum freigesprochen wurde. Also lieferte er damit einen Beweis für die mörderische Justiz des sogenannten Dritten Reichs.

Aber Dr. Kramer leistete noch mehr, er erforschte, dass in der im März 1937 eingerichteten Hinrichtungsstätte im Gefängnis Wolfenbüttel in der NS- Zeit über 650 Menschen unter dem Fallbeil oder am Galgen starben. Ausländische Widerstandskämpfer, Wehrmachtsdeserteure und „Wehrkraftzersetzer“, verschleppte Zwangsarbeiter, Sinti und Roma und „Volksschädlinge“. In Gesprächen machte er immer deutlich, dass die Zahl der Umgekommenen wahrscheinlich wesentlich höher liegt und weiter geforscht werden müsste. Wie schon der obenerwähnte Fall der Braunschweigerin zeigt, nannte er nicht nur die Opfer sondern auch die Täter dieses mörderischen Systems. Und es kam wie nicht anders zu erwarten, bei diesen Untersuchungen heraus, dass in der Zeit des Kalten Krieges in diesem Gefängnis Menschen inhaftiert waren, die durch politische Strafjustiz in Niedersachsen verurteilt worden sind. Viele FDJler, KPD- Funktionäre, Mitglieder von Organisationen wie Freie Wählervereinigungen oder der Arbeitsgruppe „Für demokratische Rechte“ oder DDR- Bürger die im Auftrage von ihren Organisationen in die Bundesrepublik gefahren waren, um zu gesamtdeutschen Gesprächen einzuladen. Redakteure der niedersächsischen Tageszeit der KPD „Neue niedersächsische Volksstimme“ waren unter den Verfolgten schon vor dem KPD- Verbot. Unter diesen Verfolgten auch Genossen, die schon in der Nazi- Zeit in KZ`s und Gefängnissen inhaftiert waren. August Baumgarte (Hannover), Richard Brennig (Peine) und August Stein (Osterode) waren zum Beispiel unter den Gefangenen in der Zeit des Kalten Krieges.

Auf Anregung von Dr. Kramer sollte auch in einer Ausstellung an diese Genossen erinnert werden. Auch hier nannte Helmut Kramer Verfolgte und Verfolger. Die meisten der Verfolgten im Kalten Krieg waren in Lüneburg von der politischen Sonderkammer verurteilt worden. Und an diesem Gericht waren besonders viele NS- Richter und Staatsanwälte tätig. Berühmt berüchtigt war der Oberstaatsanwalt  Dr. Karl Heinz Ottersbach, der in den Kriegsjahren in Polen seinen Beitrag zu  Unrechtsurteilen leistete. Er war nicht der einzige furchtbare Jurist, der an der Sonderkammer tätig war. In einer Landeswanderausstellung über NS- Verfolgung sind solche eklatanten  Beispiele vor Jahren auch genannt. Allerdings ist weder vom Landesjustizministerium nicht weiter daran gearbeitet worden, noch ist die Ausstellung in Landesgedenkstätte Wolfenbüttel ergänzt worden.

Bei einem kurzen Gespräch in der KZ- Gedenkstätte in Moringen hat mir (P.D.) der Leiter der niedersächsischen Gedenkstätten, Dr. Habbo Knoch, auf meine Frage, wie es weiter ginge mit Wolfenbüttel, geantwortet, dass ein Konzept erstellt werden solle. Das ist aber inzwischen drei Jahre her. Helmut Kramer merkt in seinem Artikel an, dass er ein Opferschicksal aufgearbeitet hat: Moritz Klein wurde 1942 in Wolfenbüttel hingerichtet unter fadenscheinigen und fehlerhaften Begründungen wurde er auf Grund einer zweifelhaften Beweisführung verurteilt.

„Er war der letzte Jude in Helmstedt, das nach Willen fanatischer Nationalsozialisten und angepasster Richter „judenfrei“ werden sollte“, schreibt Helmut Kramer. Und er nennt auch hier den Täter, der nach 1945 straffrei blieb.

Im Weiteren nennt dann Dr. Kramer einen anderen Täter hohen Ranges, der nach 1945 wieder zu hohen Richterehren kam. 1950 Richter am Bundesgerichtshof und ab 1955 war Werner Hüllen Präsident des Oberlandesgerichts Oldenburg (i.O.).  64 seiner Opfer sind in Wolfenbüttel hingerichtet worden. Sein Name tauchte in der oben erwähnten Landesausstellung schon auf, wurde aber aus der Ausstellung in Wolfenbüttel getilgt.

Das alles macht deutlich, wie in der Gedenkstätten Politik eine Rolle rückwärts praktiziert wird und demokratische Ansätze verschwinden sollen.

Peter Dürrbeck, Göttingen April 2012           

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen