So lautet die Überschrift eines Artikels in
der Zeitschrift ossietzky vom 14. April 2012.
Der Autor Dr. Helmut Kramer aus Wolfenbüttel
weiß genau, wovon er spricht: Dr. Kramer hat jahrelang im Auftrage der
niedersächsischen Justizministerin Heide Merk (SPD) über die Haftanstalt
Wolfenbüttel geforscht. Dr. Kramer war Richter am Oberlandesgericht in
Braunschweig und hat bei seiner Forschungsarbeit über die Justiz in der
Nazizeit zum Beispiel einen Prozess gegen eine Braunschweigerin, die wegen
Plünderung hingerichtet wurde, erneut aufgerollt und erreicht, dass diese Frau
postum freigesprochen wurde. Also lieferte er damit einen Beweis für die
mörderische Justiz des sogenannten Dritten Reichs.
Aber Dr. Kramer leistete noch mehr, er
erforschte, dass in der im März 1937 eingerichteten Hinrichtungsstätte im
Gefängnis Wolfenbüttel in der NS- Zeit über 650 Menschen unter dem Fallbeil
oder am Galgen starben. Ausländische Widerstandskämpfer, Wehrmachtsdeserteure
und „Wehrkraftzersetzer“, verschleppte Zwangsarbeiter, Sinti und Roma und
„Volksschädlinge“. In Gesprächen machte er immer deutlich, dass die Zahl der
Umgekommenen wahrscheinlich wesentlich höher liegt und weiter geforscht werden
müsste. Wie schon der obenerwähnte Fall der Braunschweigerin zeigt, nannte er
nicht nur die Opfer sondern auch die Täter dieses mörderischen Systems. Und es
kam wie nicht anders zu erwarten, bei diesen Untersuchungen heraus, dass in der
Zeit des Kalten Krieges in diesem Gefängnis Menschen inhaftiert waren, die
durch politische Strafjustiz in Niedersachsen verurteilt worden sind. Viele
FDJler, KPD- Funktionäre, Mitglieder von Organisationen wie Freie
Wählervereinigungen oder der Arbeitsgruppe „Für demokratische Rechte“ oder DDR-
Bürger die im Auftrage von ihren Organisationen in die Bundesrepublik gefahren
waren, um zu gesamtdeutschen Gesprächen einzuladen. Redakteure der
niedersächsischen Tageszeit der KPD „Neue niedersächsische Volksstimme“ waren
unter den Verfolgten schon vor dem KPD- Verbot. Unter diesen Verfolgten auch
Genossen, die schon in der Nazi- Zeit in KZ`s und Gefängnissen inhaftiert
waren. August Baumgarte (Hannover), Richard Brennig (Peine) und August Stein
(Osterode) waren zum Beispiel unter den Gefangenen in der Zeit des Kalten
Krieges.
Auf Anregung von Dr. Kramer sollte auch in
einer Ausstellung an diese Genossen erinnert werden. Auch hier nannte Helmut
Kramer Verfolgte und Verfolger. Die meisten der Verfolgten im Kalten Krieg
waren in Lüneburg von der politischen Sonderkammer verurteilt worden. Und an
diesem Gericht waren besonders viele NS- Richter und Staatsanwälte tätig.
Berühmt berüchtigt war der Oberstaatsanwalt
Dr. Karl Heinz Ottersbach, der in den Kriegsjahren in Polen seinen
Beitrag zu Unrechtsurteilen leistete. Er
war nicht der einzige furchtbare Jurist, der an der Sonderkammer tätig war. In
einer Landeswanderausstellung über NS- Verfolgung sind solche eklatanten Beispiele vor Jahren auch genannt. Allerdings
ist weder vom Landesjustizministerium nicht weiter daran gearbeitet worden,
noch ist die Ausstellung in Landesgedenkstätte Wolfenbüttel ergänzt worden.
Bei einem kurzen Gespräch in der KZ-
Gedenkstätte in Moringen hat mir (P.D.) der Leiter der niedersächsischen
Gedenkstätten, Dr. Habbo Knoch, auf meine Frage, wie es weiter ginge mit
Wolfenbüttel, geantwortet, dass ein Konzept erstellt werden solle. Das ist aber
inzwischen drei Jahre her. Helmut Kramer merkt in seinem Artikel an, dass er
ein Opferschicksal aufgearbeitet hat: Moritz Klein wurde 1942 in Wolfenbüttel
hingerichtet unter fadenscheinigen und fehlerhaften Begründungen wurde er auf
Grund einer zweifelhaften Beweisführung verurteilt.
„Er war der letzte Jude in Helmstedt, das
nach Willen fanatischer Nationalsozialisten und angepasster Richter „judenfrei“
werden sollte“, schreibt Helmut Kramer. Und er nennt auch hier den Täter, der
nach 1945 straffrei blieb.
Im Weiteren nennt dann Dr. Kramer einen
anderen Täter hohen Ranges, der nach 1945 wieder zu hohen Richterehren kam.
1950 Richter am Bundesgerichtshof und ab 1955 war Werner Hüllen Präsident des
Oberlandesgerichts Oldenburg (i.O.). 64
seiner Opfer sind in Wolfenbüttel hingerichtet worden. Sein Name tauchte in der
oben erwähnten Landesausstellung schon auf, wurde aber aus der Ausstellung in
Wolfenbüttel getilgt.
Das alles macht deutlich, wie in der
Gedenkstätten Politik eine Rolle rückwärts praktiziert wird und demokratische
Ansätze verschwinden sollen.
Peter Dürrbeck, Göttingen April 2012
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