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Donnerstag, 29. Januar 2015

Buchvorstellung "Im kalten Krieg" - Eine Zeitungsschau aus der Frühgeschichte des Kalten Krieges

Duffners »Mikrokosmos«

Eine Zeitungsschau aus der Frühgeschichte des Kalten Krieges

Von Hans Daniel in jungeWelt 26.01.2015


Das Buch kommt mit dem schlichten Titel »Im Kalten Krieg« daher. Helmut Duffner, der Autor bzw. Sammler der darin enthaltenen Porträts und publizistischen Beiträge aus den Jahren 1950 bis 1968, spricht von einem »Mikrokosmos, gespiegelt in Zeitungsartikeln«. Die stammen allesamt aus dem Rhein-Ruhr-Gebiet, der Rheinischen Post (RP) und der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ). Im Rückblick schon fast spannend zu lesen, was da in diesen frühen Jahren der BRD in der Provinzpresse an linientreuen Texten abgesondert wurde, etwa wenn es um die Wiederaufrüstung im Verbund mit dem nun etwas modifizierten Antikommunismus oder die Ost- und Deutschlandpolitik der Regierung in Bonn ging. Dabei stand auch die Regionalpresse – hier auszugsweise dargestellt und beschränkt auf Meldungen aus dem Jahr der militärischen Weichenstellungen, 1950 – Gewehr bei Fuß.
Am 28. Februar 1950 berichtete die WAZ, dass der ehemalige General der faschistischen Wehrmacht, Hasso von Manteuffel, in einem Schreiben an Kanzler Konrad Adenauer (CDU) seine »fachlichen Gesichtspunkte« zu der im November 1949 (zwei Monate nach Konstituierung des ersten Bundestages!) geführten Diskussion »über die Aufstellung sogenannter leichter Verbände« niedergelegt habe. »Vor etwa neun Monaten« sei es bereits zu »einem Höflichkeitsbesuch Manteuffels bei Dr. Adenauer gekommen«.
Unter der Überschrift »Kein Gespräch mit Landesverrätern« war am 9. Juni 1950 in der RP zu lesen, die Bundesregierung habe »mit äußerstem Befremden« von den Handelsgesprächen Kenntnis genommen, die der niedersächsische Landwirtschaftsminister Dr. Gehrke »mit dem stellvertretenden ›Ministerpräsidenten‹ der Sowjetzone, Ulbricht«, geführt hat. Der habe sich »angemaßt«, »die deutschen Ostgebiete östlich der Oder-Neiße-Grenze vertraglich den Polen zuzusprechen«.
»KP-Agenten werben ›Ferienkinder‹ für SED« alarmierte die WAZ am 9. August 1950 ihre Leser. Die gehen »in verschiedenen Städten von Haus zu Haus und versuchen, vor allem ärmere Volksschichten dazu zu überreden, ihre Kinder zu einem Erholungsurlaub in die Ostzone zu schicken«. Die RP schreckte am selben Tag ihre Leser mit der Nachricht auf: »Kinderfänger der SED treiben zur Zeit ihr Unwesen in der Bundesrepublik«.
Fast gleichzeitig mit »streng geheim« gehaltenen Plänen für eine »Generaloffensive gegen illegale KP« (WAZ, 11.8.50), beschäftigte sich »auf einer Geheimsitzung« das Bundeskabinett »mit dem Sicherheitsproblem«. Dem vorausgegangen sei »eine Geheimkonferenz der Hohen Kommissare«, auf »der, wie man annimmt, ebenfalls (...) das heikle Thema der deutschen Schutzpolizei zur Diskussion stand«. (WAZ, 25.8.50).
  
Während die CDU-geführte Landesregierung von Nordrhein-Westfalen laut RP vom 5.9.1950 (»Landesregierung macht Ernst«) alle Veranstaltungen des »Komitees der Kämpfer für den Frieden« und der »Aktionsgemeinschaft der Jugend für ein einiges Deutschland« verbot und »unnachsichtige Strenge« bei Verstoß dagegen androhte, legte Bonn mit der ersten Welle von Berufsverboten nach: »Schluss mit dem Staatsfeind! Bund entlässt Kommunisten« (RP, 19.9.50). Verfügt wurde »die Entfernung aller Mitglieder und Anhänger der KPD aus dem öffentlichen Dienst« des Bundes, der Länder und der Kommunen.
Damit aber war die »kommunistische Gefahr« noch nicht hinreichend gebannt. Da musste auch noch die britische Besatzungsmacht aktiv werden: Sie beschlagnahmte »im Zuge der Verstärkung aller Verteidigungsmaßnahmen gegen eine Bedrohung aus dem Osten« den eben fertiggestellten Sitz des Vorstandes der KPD in Düsseldorf.
In einem Bericht »Einig über deutsche Wiederaufrüstung« zitiert die RP am 19. Oktober 1950 aus einem Leitartikel der New York Times zu Überlegungen der westlichen Besatzungsmächte: »Es wird ganz besonders notwendig sein, neue Quellen für Menschenreserven zu finden, die nur aus Deutschland kommen können (...).« Am 3. November heißt es im selben Blatt: »Nach dem amerikanischen Plan sollen der Europa-Armee deutsche Truppen in der Stärke von zehn Divisionen angeschlossen werden.« Die WAZ wußte am 24. November: »Dr. Adenauer bot Kontingente an«. Am 21. Dezember (RP) stand fest: »Deutsche Militärs beraten mit«. Genannt wurden die kriegserfahrenen ehemaligen Generäle der faschistischen Wehrmacht Hans Speidel und Adolf Heusinger.
Die »Zeitungsschau« wird umrahmt u. a. von den Porträts der aus dem Rheinland stammenden Kommunisten Jupp Angenfort, Jupp Mallmann und dem Ehepaar Rosemarie und Karl Stiffel. Sie mussten ihren Widerstand gegen diese Politik mit Verfolgung und Gefängnisstrafen bezahlen. Angenfort, Vorsitzender der Freien Deutschen Jugend (FDJ) in Westdeutschland, wurde trotz seiner Immunität als Landtagsabgeordneter der KPD in Nordrhein-Westfalen, am 12. März 1953 verhaftet. Am 4. Juni 1955 verurteilte ihn der politische Sondersenat des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe wegen »Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens« zu fünf Jahren Zuchthaus.
Mallmann, aktiver Antimilitarist, am 2. November 1953 wegen »Staatsgefährdung« und »Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens« verhaftet, saß 408 Tage in Einzelhaft, ehe er ohne Gerichtsverhandlung mit Auflagen entlassen wurde. Am 28. Februar 1958 verurteilte die 4. Strafkammer des Landgerichts Lüneburg Karl Stiffel zu 18 Monaten Gefängnis wegen »Rädelsführerschaft in einer verfassungsfeindlichen Organisation (FDJ) in Tateinheit mit Zuwiderhandlung gegen das KPD-Verbot und Geheimbündelei«. Rosemarie Stiffel erhielt am 7. März 1958 mit ähnlicher Begründung eine Gefängnisstrafe von 19 Monaten. Duffners »Mikrokosmos« ist ein aufschlussreiches Zeitdokument eines »kritischen Begleiters«, der sich eigener Wertung enthält. Die Fakten sprechen für sich.

Helmut Duffner: Im Kalten Krieg. 160 Seiten, 7,50 Euro, zzgl. Versand

Bezugsmöglichkeiten:

IROKK, Essen - irokkinfo@arcor.de
DDR-Kabinett-Bochum e.V. - info@ddr-kabinett-bochum.de
Geschäftsstelle der GRH e.V. - www.grh-ev.org