von Hans Daniel in Tageszeitung junge Welt 11.06.2014
Eine Lektion in Staatsbürgerkunde wurden Peter Dürrbeck, Mitglied im Sprecherkreis der Initiative für die Rehabilitierung der Opfer des Kalten Krieges (IROKK), und dem Vorsitzenden der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA), Heinrich Fink, am Vorabend des 65. Jahrestages der Verkündung des Grundgesetzes zuteil.
Sie überreichten am 19. Mai der Vorsitzenden des Petitionsausschusses des Bundestages, Kersten Steinke (Die Linke), eine Petition mit dem Titel: »Das KPD-Verbotsurteil und die Demokratie sind unvereinbar«. 3000 Unterstützer hatten das Anliegen unterschrieben.
Der 18. Deutsche Bundestag wird darin aufgefordert, Schritte einzuleiten, um das KPD-Verbotsurteil vom 17. August 1956 aufzuheben, »weil es als Begründung für ungerechtfertigte politische Verfolgungen und Diskriminierungen diente und bis heute nachwirkt«. Nach dem Ende des Kalten Kriegs und fast ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der DDR sei es an der Zeit und längst überfällig. Steinke sagte zu, das Anliegen im Ausschuß zur Behandlung vorzulegen.
Die KPD hatte im Widerstand gegen den deutschen Faschismus große Opfer gebracht und wurde einmal mehr auf dem Höhepunkt des Antikommunismus nach 1945 verboten. Ihre Mitglieder wurden durch eine erneut installierte politische Sondergerichtsbarkeit verfolgt und verurteilt. In Folge des Verbots sind etwa 250000 Ermittlungsverfahren eingeleitet und rund 10000 Verurteilungen zu Zuchthaus- und Gefängnisstrafen wegen des Verstoßes gegen das Verbot verhängt worden.
Die dem Petitionsausschuß übergebene IROKK-Erklärung verweist auf die neue Publikation »Staatsschutz in Westdeutschland – Von der Entnazifizierung bis zur Extremistenabwehr« des Historikers Dominik Rigoll. Der Autor nennt das Verbotsurteil ein »Relikt des Kalten Krieges«, geschuldet vor allem dem Einfluß von Nazis in staatlichen Stellen. Sie konnten mit dem Urteil ihre Verfolgung von Antifaschisten aus der Zeit vor 1945 fortsetzen. In dieser Kontinuität sah der langjährige Vorsitzende der VVN-BdA die Verpflichtung seines Verbandes, die Petition zu unterstützen.
Er verwies darauf, daß nicht wenige der wegen des Verstoßes gegen das KPD Verbot Verurteilten Mitglieder der VVN waren. Sie waren in den Jahren der faschistischen Herrschaft jahrelang in Zuchthäusern und Konzentrationslager inhaftiert. Exemplarisch nennt Fink den langjährigen nordrhein-westfälischen KPD-Landtagsabgeordneten Karl Schabrod. Von den 147 Monaten und acht Tagen, die das »Dritte Reich« gedauert hat, war der Antifaschist 143 Monate eingekerkert – überwiegend im Zuchthaus. Nach dem Verbot der KPD 1956 wurde er zweimal zu insgesamt 29 Monaten Haft verurteilt, weil er als unabhängiger Kandidat zu Land- und Bundestagswahlen antrat. Der Vorwurf lautet auf »Staatsgefährdung« und »Rädelsführerschaft« in einer verbotenen Organisation. Neben einer Gefängnisstrafe wurde ihm sein Status als Verfolgter des Faschismus aberkannt, und er erhielt Berufsverbot als Journalist.
Am 23. Mai feierte der Bundestag die »bisher beste Verfassung in der deutschen Geschichte«. Einen Tag zuvor und nur drei Tage nach Einreichen war die Antwort auf die Petition bereits zurückgeschickt. Darin wird mitgeteilt: Die beantragte Überprüfung des Urteil sei »dem Bundestag wegen Dreiteilung der Staatsgewalt und der Unabhängigkeit der Richter nicht möglich«. Weiter heißt es in dem Schreiben, daß die Eingabe damit »abschließend beantwortet« sei.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen