Geht es nach der Bundesregierung, dann dauert der Kalte Krieg bis in alle Ewigkeit fort. Das wurde jetzt in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion zur »Aufarbeitung der Berufsverbote und Aufhebung des KPD-Verbots« deutlich.
Am 19. Mai 2014 hatten der Vorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA), Heinrich Fink, und Peter Dürrbeck von der Initiativgruppe für die Rehabilitierung der Opfer des Kalten Krieges dem Petitionsausschuß des Bundestages eine von mehr als 3000 Personen unterzeichnete Petition zur Aufhebung des Verbotsurteils gegen die Kommunistische Partei Deutschlands aus dem Jahr 1956 vorgelegt. Das KPD-Verbot sei ein mit einer Demokratie unvereinbares Relikt des Kalten Krieges, das sich gegen Antifaschisten richte, argumentierten die Einreicher der Petition. Das vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochene Parteiverbot gegenüber der KPD wirke »ohne zeitliche Grenze als Feststellung der Verfassungswidrigkeit mit der Folge der Auflösung der KPD und des Verbots von Ersatzorganisationen«, erklärt die Bundesregierung unter Berufung auf Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit Paragraph 46 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. »Eine Aufhebung des Parteiverbots beziehungsweise ein Wiederaufnahmeverfahren ist im Bundesverfassungsgerichtsgesetz nicht vorgesehen.« Sollte der Petitionsausschuß dieser Rechtsauffassung der Bundesregierung folgen, muß das Verbot weiterbestehen.
Auf die Frage, inwieweit die im Jahr 1956 – zur Hochzeit des Kalten Krieges und der Teilung Deutschlands – benannten Verbotsgründe weiterhin für gültig erachtet werden, verweigert die Bundesregierung unter Verweis auf die Unabhängigkeit der Richter die Antwort. Auch zu möglichen Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung, die ein Festhalten am KPD-Verbot rechtfertigen könnten, will sich die Regierung nicht äußern. Sie nehme »weder zu einer Verfassungsfeindlichkeit einer nicht mehr existenten Partei noch zu hypothetischen, zukünftigen Sachverhalten Stellung«, so die Antwort der Regierung. Ganz so hypothetisch scheint die Frage allerdings nicht zu sein. Schließlich ermittelte das Bundeskriminalamt im vergangenen Jahr in zwei nicht näher aus-geführten Fällen im Zusammenhang mit dem KPD-Verbot.
Aufgrund des KPD-Verbots leiteten Staatsanwälte in den 50er und 60er Jahren bis zu 200.000 Ermittlungsverfahren ein, es erfolgten zwischen 7000 und 10.000 Verurteilungen. Zahlreiche in den Verdacht kommunistischer Aktivität geratene Menschen verloren – auch durch Denunziationen des Verfassungsschutzes – ohne Verurteilung ihre Arbeitsplätze. Mit der Feststellung, sie sehe keine Veranlassung, das KPD-Verbotsurteil in Frage zu stellen, verweigert die Bundesregierung die Antwort auf die Frage, ob infolge des KPD-Verbots Unrecht geschehen sei und welche Möglichkeiten für eine Rehabilitierung dieser Opfer des Kalten Krieges beständen.
Wissen wollte die Linksfraktion auch, in welchen EU-Mitgliedsstaaten vergleichbare Verbote kommunistischer Parteien bestanden oder noch bestehen. Doch will die Bundesregierung »keine verwertbaren Erkenntnisse« besitzen. Bereits eine schnelle Internetrecherche hätte hier geschichtlichen Nachhilfeunterricht leisten können. Zum Zeitpunkt des KPD-Verbots waren in Europa kommunistische Parteien nur in den damals noch nicht der Europäischen Gemeinschaft angehörenden faschistischen Diktaturen von Franco in Spanien und António Oliveira Salazar in Portugal verboten. Nach dem Sturz der Diktaturen wurden die kommunistischen Parteien in diesen Ländern wieder legalisiert und spielen bis heute eine Rolle in der nationalen Politik. Nach dem Militärputsch 1967 mußten auch die griechischen Kommunisten eine Zeitlang in den Untergrund gehen. Heute sind kommunistische Parteien in einer Reihe ost- und südosteuropäischer Staaten als Nachfolgeorganisationen der ehemaligen Staatsparteien verboten oder Verfolgung ausgesetzt.
Zwar wurde 1968 mit der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) wieder eine kommunistische Partei in der Bundesrepublik zugelassen. Doch mit dem sogenannten Radikalenerlaß durch eine Ministerpräsidentenkonferenz unter Vorsitz von Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) am 28. Januar 1972 wurde deren Mitgliedern ebenso wie zahlreichen anderen Aktivisten der radikalen Linken eine Anstellung im Öffentlichen Dienst verwehrt. Rund 3,5 Millionen Anwärter für den Öffentlichen Dienst wurden fortan vom Verfassungsschutz auf ihre politische Zuverlässigkeit überprüft, es erfolgten 11.000 offizielle Berufsverbote, 2200 Disziplinarverfahren, 1250 Ablehnungen von Bewerbungen und 265 Entlassungen aus dem Öffentlichen Dienst. Für viele Betroffene ergeben sich heute erhebliche finanzielle Nachteile bei der Rentenzahlung, da sie ihren erlernten Beruf etwa als Lehrer nicht oder lange Zeit nicht ausüben durften.
1979 wurden die Regelanfragen beim Geheimdienst auf Bundesebene und später auch von den Ländern eingestellt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verurteilte am 26. September 1995 im Falle Dorothea Vogt, daß der Radikalenerlaß gegen die Menschenrechte der Meinungs- und Koalitionsfreiheit sowie das Prinzip der Verhältnismäßigkeit verstoße. Altbundeskanzler Willy Brandt bezeichnete den von ihm mitgetragenen Radikalenerlaß als »Irrtum« und erklärte es zum »demokratisch-rechtsstaatlichen Gebot«, die »negativen Folgen des einstigen Ministerpräsidentenbeschlusses zu bereinigen«.
Eine Vorreiterrolle spielt hier der Niedersächsische Landtag. Dort wurde am 15. Mai 2014 mit den Stimmen der oppositionellen CDU und FDP ein von der rot-grünen Regierungskoalition eingebrachter Antrag auf Einsetzung einer Kommission zur Aufarbeitung der Schicksale der von Berufsverboten betroffenen Personen und der Möglichkeit ihrer Rehabilitierung beschlossen. »Statt Zivilcourage und politisches Engagement zu fördern, wurde Duckmäusertum erzeugt und Einschüchterung praktiziert«, heißt es in dem Antrag zu den Folgen des Radikalenerlasses. Doch für die schwarz-rote Bundesregierung ist die niedersächsische Initiative kein Anlaß, ihre bisherige Haltung zu überdenken. Die Einsetzung einer entsprechenden Kommission auf Bundesebene sei nicht geplant, heißt es in der Antwort auf die Anfrage der Linksfraktion. Auch an den Grundsätzen für die Prüfung der Verfassungstreue, die dem Staat bis heute die Möglichkeit von Berufsverboten bietet, will sie weiter festhalten. Das KPD-Verbot und die Berufsverbotsoption bleiben damit auch in Zukunft Instrumente einer präventiven Konterrevolution gegen sozialen Protest.
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