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Samstag, 28. April 2012

18. April 1947 - Bomben auf Helgoland – Die KPD leistet Widerstand


Helgoland sollte nach dem Willen der Briten für alle Zeit im Meer versenkt und damit als militärischer Stützpunkt vernichtet werden. Mit einer gewaltigen Explosion unter Verwendung hunderter von Tonnen Sprengstoff wurden am 18. April 1947 alle militärischen Einrichtungen der Insel gesprengt. Der rote Felsen wankte, aber er blieb stehen. Dann wurde Helgoland von der Royal Air Force als Bombenübungsplatz genutzt.
Die Insel Helgoland, die seit Urzeiten als Schutzhafen für Fischer und gestrandete Seefahrer diente, konnte unter den Bedingungen der ständigen Bombenabwürfe nur noch unter größter Lebensgefahr für Leib und Seele angelaufen werden. Die Unzufriedenheit unter den Fischern, Seeleuten und der Bevölkerung nahm daher von Monat zu Monat zu.
Besonders die vertriebenen Helgoländer wurden aktiv und appellierten schon 1948 mit einer Unterschriftensammlung an die UNO, die Briten und die deutschen Behörden. Sie forderten: Einstellung der Bombardierung, Freigabe Helgolands und Rückkehr aller ehemaliger Inselbewohner. Ihr Appell blieb leider bei den Offiziellen ungehört. Die Adenauer-Regierung schwieg! Sie machte sich Liebkind bei den Westmächten und erkaufte sich Wohlwollen bei der Verfolgung eigener Aufrüstungspläne. Später stellte sich heraus, dass Adenauer hinter dem Rücken des Parlaments mit den Westmächten solche Pläne geschmiedet und dann ja auch verwirklicht hat.
Die Stimmung und Protestbewegung zur Befreiung und friedlichen Wiederansiedlung Helgolands in der Bevölkerung weitete sich aus. Helgoland als friedlicher Wohnort, als Schutz- und Ferienort sollte wieder errichtet werden. Das war die gängige Meinung nicht nur bei den Einheimischen, sondern auch in breiten Teilen der Bevölkerung. Bei der jungen Generation war der Gedanke populär, jetzt endlich zur Tat zu schreiten. Aber mit der Aktion der beiden Heidelberger Studenten, die im Dezember-Januar 1950/51 auf der Insel die Europa-Fahne hissten, und einer Unterstützung durch Prinz Hubertus zu Löwenstein war es nicht getan. Im Einvernehmen mit den Briten und freundlicher Begleitung durch die bestellte Presse verließen sie die Insel. Eine neue Militärverordnung, wonach jede weitere Besetzung Helgolands mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft werden konnte, wurde von ihnen widerspruchslos hingenommen.
Nicht hingenommen wurde sie bei Fischern, Seeleuten und einer politisch engagierten Jugend. Ich war damals Leiter der FDJ-Gruppe in Wedel, einer Stadt im Kreis Pinneberg, die viele Helgoländer Familien aufgenommen hatte. Helgoland war oft ein Thema auf unseren Gruppenabenden. Wir sahen die Bombardierung als Teil des Säbelrasselns gegen die Sowjetunion und die DDR im ständig sich verschärfenden kalten Krieg. Verhinderung der Remilitarisierung, die friedliche Einheit Deutschlands war unser Anliegen.

Es war aber auch ein Anliegen der KPD und ihrer Abgeordneten. Gewerkschaftsmitglieder und Betriebsräte solidarisierten sich mit der Antikriegsbewegung. Auf einer Funktionärskonferenz der FDJ in Hamburg nahm mich der damalige Landesvorsitzende der FDJ und der zu dieser Zeit jüngste Bürgerschaftsabgeordnete Kurt Erlebach zur Seite und fragte mich, ob wir in unserer Gruppe in Wedel einen Jugendlichen hätten, der die Leitung einer Landungsgruppe auf Helgoland übernehmen könnte. Ich machte eine vage Zusage und sprach danach mit Hans-Peter Götsche, der in Wedel wohnte, Kunststudent war und häufig als Gast an unseren FDJ-Gruppenabenden teilnahm. Er sagte sofort zu. Danach ging alles sehr schnell. Es wurden auch Teilnehmer aus Kiel, Haselsteck und Braunschweig für die geplante Überfahrt nach Helgoland gewonnen. Alle Teilnehmer wurden bis zur Überfahrt am 23. Februar 1951 bei meinen Eltern untergebracht. Kapitän Hülse, der ebenfalls gegen die Bombardierung der Insel war, steuerte die Gruppe mit seinem Fischerboot sicher nach Helgoland, wo die Gruppe als Erstes die Weltfriedensfahne mit der berühmten Picasso-Taube hisste und zur Solidarität mit den Helgoländern aufrief. Nach vier Tagen Besetzung der Insel wurden die sieben Teilnehmer der Besetzergruppe von britischen Besatzungssoldaten verhaftet und in das Gefängnis nach Lübeck gebracht. Hier wurden sie in einem Prozess der britischen Militärverwaltung zu drei Monaten Gefängnis verurteilt.
Nach der erfolgreichen Landung der FDJler, die von großen Teilen der Bevölkerung begrüßt wurde, erfolgten im gleichen Jahr weitere Landungen mit insgesamt 99 Jugendlichen. Auch diese wurden verhaftet und zu insgesamt 30 Jahren Gefängnis verurteilt. Der anhaltende Widerstand zwang die Militärbehörden schließlich zum Einlenken. So wurde die Insel im März 1952 freigegeben. Die Bombardierungen wurden eingestellt und die Helgoländer konnten auf ihre Insel zurückkehren.
Die Bundesregierung und ihre Verfolgungsorgane erhöhten dagegen den Druck auf die antimilitaristisch gestimmte FDJ. Sie wurde kurzerhand verboten und 1953 ihre gesamte Führung verhaftet. Im Prozess gegen die FDJ und ihrem damaligen Vorsitzenden, Jupp Angenfort, wurde ich von den Verteidigern als Zeuge vor das Bundesgericht in Karlsruhe geladen. Ich wollte über die Friedensaktivitäten der FDJ sprechen, wobei mein besonderes Anliegen die aktuelle Freigabe Helgolands und der Beitrag der jungen Generation dazu war. Das Gericht lehnte meine Zeugenaussage dazu kategorisch ab. Jupp Angenfort wurde in diesem Prozess zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt.


Ewald Stiefvater


(Leicht gekürzt aus den „Mitteilungen der Initiative zur Rehabilitierung der Opfer des Kalten Krieges – Niedersachen“ vom November 2008)

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