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Mittwoch, 11. April 2012

Die Kommunistenverfolgung ist bis heute nicht beendet

KPD-Verbot aufheben – Karl Schabrod (stehend), Ludwig Landwehr
und Max Reimann in Düsseldorf (19.11.1968) Foto: Anton Tripp

Am 22. November 1951 reichte die Bundesregierung beim Bundesverfassungs-gericht den Antrag ein die KPD zu verbieten. Kurz danach begannen etliche Durchsuchungen von Parteibüros, um "Beweise" für das anstehende Verfahren zu sammeln. Zuvor waren Abgeordnete der KPD (Heinz Renner, Oskar Müller, Walter Vesper und Fritz Rische) wegen "unparlamentarischen Verhaltens" für 20 Sitzungstage aus dem Bundestag verwiesen worden. Im Januar 1952 wurde die Geschäftsordnung des Bundestages geändert. Dadurch verlor die KPD ihren Fraktionsstatus und damit das Recht Anträge und Anfragen zu stellen. Während das Verbot der FDJ in der Bundesrepublik bereits am 25. Juni 1951 noch per Regierungsverordnung durchsetzt wurde, sah man sich genötigt das KPD-Verbot per Gerichtsbeschluss durchzudrücken.
Der Prozess dauerte bekanntlich fünf Jahre und wurde durch das direkte Eingreifen von Konrad Adenauer mit dem Verbotsurteil beendet. Ende August 1956 wäre das Mandat des verhandlungs-führenden Senats abgelaufen. Eine andere Kammer hätte die Verhandlungen neu aufnehmen müssen. Adenauer und seinem Anhang dauerte die Verhandlung viel zu lang. Er drängte intensiv auf das Verbot.

Der Kalte Krieg wird forciert
Betrachten wir diese Fakten, dürfen wir nicht die Umstände vergessen, unter welchen sich die Ergebnisse abspielten: Der Kalte Krieg nahm immer schärfere Formen an, 1946 hatte Churchill seine berühmt-berüchtigte Rede in Fulton/USA gehalten. In dieser Zeit setzte die US-Administration auf verschärften Antikommunismus und mit McCarthy auf Kommunistenhetze; gegen Ethel und Julius Rosenberg wurde das Todesurteil verhängt. In der Zeit, in der der KPD-Prozess bzw. die Prozess-vorbereitung lief, fand von 1950 bis 1953 der - hauptsächlich durch die USA geführte - Korea-Krieg statt, was auch den Kalten Krieg enorm zuspitzte.

Parallel zu diesen Ereignissen wurde die Westeinbindung der Bundesrepublik betrieben.
Wahlplakate der CDU warnten vor dem russischen Bären oder warben mit dem Slogan: "Alle Wege führen nach Moskau!" und zeigen einen Sowjetsoldaten, der nach Deutschland griff. Diese Art Wahlkampf knüpfte ohne Skrupel an Parolen von Goebbels an.
Außerdem setzte die Regierung Adenauer Zeichen für eine Wiederaufrüstung und die Schaffung einer neuen Armee. Die Einheit Deutschlands, wie im Abkommen von Potsdam, war nicht ihr Ziel. Und in Nürnberg verurteilte Nazi- und Kriegsverbrecher wurden nach und nach freigelassen und in den Aufbau der Bundesrepublik integriert. Das 131er-Gesetz von 1951 regelte die Eingliederung Beamter aus der Nazizeit (auch Berufssoldaten). Für Polizei, Wehrmacht, Wirtschaft und Justizapparat wurde "bewährtes" Personal gebraucht. Wer z. B. damals in die Schule ging, merkte auch, dass immer mehr Lehrer und Studienräte zur Wiederverwendung eingesetzt wurden, von denen nicht wenige von ihren Heldentaten als Offiziere an der Dwina oder der Düna oder im Kaukasus schwärmten. Bereits dem Zweiten Bundestag gehörten nach den Wahlen 1953 129 ehemalige NSDAP-Mitglieder an.
Wer da eine andere Position vertrat, wurde bekämpft. (Wenn ich da anfinge Namen zu nennen, müsste ich mehrere Sonderseiten bekommen.) Zwei Namen möchte ich stellvertretend doch nennen, Jupp Angenfort, der als Landtagsabgeordneter der KPD in NRW und Vorsitzender der westdeutschen FDJ auf offener Straße verhaftete wurde, und Robert Steigerwald, der ebenfalls verhaftet wurde, weil er in der Sozialdemokratischen Aktion mitgearbeitet hat. Beide haben über fünf Jahre in bundesdeutschen Gefängnissen gesessen. Noch vor dem KPD-Verbotsurteil. Sie waren nicht die Einzigen, auch nicht mit so langen Haftstrafen.
Kurz bevor der KPD-Verbotsantrag gestellt wurde, hatte der Bundestag das Bundesverfassungs-gerichts-Gesetz und die Blitzgesetze beschlossen, mit denen besonders die KPD und linke Kräfte juristisch bekämpft werden sollten und es bis heute noch werden. Selbst wenn besonders der § 90 heute teilweise wegen Verfassungsfeindlichkeit aufgehoben wurde, wird weiterhin nach diesem Geist verhandelt und Länderinnenminister fordern ständig eine Gesetzesverschärfung. Der nieder-sächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) ist dabei ein Haupteinpeitscher.

KPD: Gegen Remilitarisierung und für die Einheit Deutschlands
Die KPD, bis 1953 im Bundestag vertreten, zeigte sich als Gegnerin der Politik der Wiederaufrüstung und trat auf vielen Versammlungen für ein einheitliches und demokratisches Deutschland ein. Max Reimann erklärte am 8. Mai 1948 vor dem Parlamentarischen Rat: "Herr Dr. Adenauer, es ist doch wahr, dass Sie von Anfang an gegen das Potsdamer Abkommen gewesen sind. Ich wage zu behaupten, wenn Sie nicht gegen dieses Potsdamer Abkommen gewesen wären, dann hätten die in- und ausländischen Imperialisten Deutschland niemals spalten können, dann wäre niemals der Kontrollrat aktionsunfähig geworden. Darum tragen Sie als deutscher Politiker vor dem deutschen Volk die Hauptverantwortung." Und konsequenterweise verweigerten die beiden kommunistischen Vertreter im Parlamentarischen Rat, Max Reimann und Heinz Renner, am 23. Mai ihre Unterschrift. "Wir unterschreiben nicht die Spaltung Deutschlands!", waren ihre Worte. (Zitiert nach dem Handbuch der Bundestagsfraktion der KPD: "4 Jahre Bundestag")
In der 98. Sitzung des Bundestages vom 8. November 1950 waren es die kommunistischen Abgeordneten Walter Fisch und Fritz Rische, die sich wiederholt gegen die Wiederaufrüstung in der Bundesrepublik wandten. In der 113. Sitzung des Bundestages am 24. Januar 1951 stellte Walter Fisch für die KPD-Fraktion fest: "In allen Schichten unseres Volkes wird die Meinung immer stärker, dass die Remilitarisierung verhindert werden muss, dass man alles tun muss, solange auch nur die Möglichkeit einer Verständigung zwischen Ost und West besteht, die jede Remilitarisierung überflüssig macht ...

Der Wille des Volkes verlangt die unverzügliche Einstellung der Geheimverhandlungen auf dem Petersberg."
Auf dem Petersberg bei Bonn und in Paris fanden Verhandlungen für den Generalvertrag und das EVG-Abkommen statt (Vorläufer der römischen Verträge und der Nato).
Es zeigt sich ganz deutlich an diesen Beispielen, dass die KPD im Bundestag ein Störenfried in Sachen Wiederaufrüstung und Westeinbindung war. Grund genug, ein Verbot der KPD durchzusetzen.
Durchaus waren es nicht nur die CDU und ihre Vasallen, die sich intensiv für den Aufbau einer neuen Armee einsetzten, auch die SPD unterstützte die Zielsetzung, es müsste nur alles parlamentarisch abgesichert sein. Man fühlt sich lebhaft an die heutige Haltung von SPD und Grünen beim Nato-Einsatz in Jugoslawien und in Libyen erinnert.
Nicht nur in Bundestagsdebatten war die KPD zum "Störenfried" geworden, sie trat natürlich auch in sozialpolitischen Fragen, in der Schulpolitik und in den Kommunen für demokratische Mit- und Selbstbestimmung auf.
Ein besonderes Ärgernis waren für Konzernherren kommunistische Betriebsräte und kommunistische Aufsichtsratsmitglieder. Dort wurden Kampagnen gegen unsere Genossinnen und Genossen geführt und oft mit Hilfe von Gewerkschaften, getreu dem Motto: Wer einen Hund prügeln will, der findet auch einen Knüppel. Auch wenn man sich dort aus der Gefangenschaft zurückkehrender wegen Kriegsverbrechen Verurteilter bedienen musste oder wenn alles nichts half, in Nacht-und-Nebel-Aktionen Gewerkschaftsbüros, wie bei der BSE, versiegelte.
Grob umrissen stellt dies das Klima da, in dem der KPD-Verbotsprozess eröffnet wurde.

Die Hauptargumente der Anklage
Der Prozessbevollmächtigte der KPD im Verbotsprozess in Karlsruhe, Prof. Friedrich Karl Kaul, stellte bei einem Öffentlichen Hearing am 5. Juni 1971 eine formal und materiell rechtliche Unhaltbarkeit des KPD-Verbotsurteils fest. Er wies auf Verletzungen des Bundesverfassungs-gerichtsgesetzes (BVGG) hin. Dabei geht es um falsche Zitate, Auslegungen ganz anderer Aussagen und das Anlegen von Geheimakten durch das Gericht, zu denen die KPD als Beklagte keinen Zugang hatte. Hinzu kam noch, dass drei Prozessvertreter der KPD auf Grund der Blitzgesetze verhaftet waren und in Handschellen zu den Verhandlungen geführt wurden Der KPD wurde schlicht unterstellt, sie wolle aus der Bundesrepublik eine Kopie der Sowjetunion oder der DDR machen. Die bürgerlichen Medien waren sich in ihrer Sprachregelung einig und analysierten nicht die Aussagen der KPD, sondern unterstellten die eigenen, bürgerlichen Vorstellungen von Revolution, wie sie es auch schon in der Weimarer Republik und in den Jahren des Faschismus getan hatten. Teilweise wurden auch Unterstellungen aus den USA übernommen. Selbst als in den USA manche dieser Auffassungen auf den Müll geworfen waren, brachte der Prozessvertreter der Bundesregierung, Ritter von Lex, sie in den Prozess ein.

Dagegen spielte der Aufruf der KPD von 1945 für ein antifaschistisches, demokratisches Deutschland überhaupt keine Rolle. Dieser Aufruf war 1946 von der SPD heftig angeprangert worden, ihr Sprecher in den Westzonen, Kurt Schumacher, hatte der KPD und Wilhelm Pieck vorgeworfen, damit den Sozialismus zu verraten. Die SPD erklärte, wie Schumacher betonte, dass der Sozialismus in den westlichen Besatzungszonen marschiere. Die CDU hatte in ihrem Ahlener Programm die Verstaatlichung der Grundstoffindustrie gefordert. Allerdings war das 1951 alles vergessen. Auf ein Manko in der Argumentation der KPD in ihren öffentlichen Auftritten und in ihrer Presse möchte ich noch hinweisen. Die KPD hat in diesen Jahren nicht verstanden ihre Politik verständlich "rüber zu bringen" und hat oft Begriffe aus den Werken der Theoretiker des Sozialismus an eine Bevölkerung weitergegeben, die über 40 Jahre mit bürgerlichen und faschistischen Ideen zugeschüttet worden war. Begrifflichkeiten, mit denen Kommunisten durchaus umgehen konnten, waren lange noch nicht Allgemeingut für die arbeitenden Menschen, die man ja gewinnen wollte. Es war auch ein Irrglaube zu meinen, dass Menschen, die 1945 die Nase gestrichen voll hatten von Krieg und Faschismus, etwas mit unserer Diktion anfangen konnten. Der Aufruf der KPD von 1945 hatte zwar deutlich auf dieses Problem hingewiesen, doch auch bei uns wurde nicht geduldig genug auf dieser Strecke weiter gearbeitet. So wurde z. B. der Begriff bzw. die Losung vom revolutionären Sturz des Adenauer-Regierung von den Arbeitern überhaupt nicht verstanden. Und die bürgerlichen Agitatoren brachten diese Losung auch als Argument, um ihre "Revolutions"vorstellungen den Kommunisten zu unterstellen. Und obgleich sich die KPD 1951 von der Losung getrennt hatte, wurde diese natürlich im Prozessverlauf Gegenstand der Anklagevertretung.

Schauen wir uns die Dokumente zum Prozess an, können wir an vielen Stellen die Unterstellungen der Anklagevertretung erkennen. In den Protokollen von Hearings zum KPD-Verbot werden diese Themen ebenfalls aufgegriffen.

Gern verweisen heute noch Autoren darauf, dass etwa gleichzeitig mit dem KPD-Verbotsantrag auch gegen die Nazinachfolgerin SRP vom Bundesverfassungsgericht ein Verfahren eingeleitet wurde. Die SRP wurde nach 13 Monaten im Jahr 1952 verboten. Meiner Auffassung nach hätte es in diesem Falle ausgereicht, den Artikel 139 des Grundgesetz zur Anwendung zu bringen, um diese Partei aufzulösen.

Aber man wollte ja den "Extremismus" bekämpfen.
Auch hier gaukelte man der Bevölkerung Demokratie vor. Es zeigte sich in der Folgezeit, dass neben den vielen Altnazis, die schon in der CDU und FDP Unterschlupf und Posten ergattert hatten, der SRP-Funktionär Adolf von Thadden in anderen Parteien weiterarbeiten konnten und letztlich Gründer der NPD wurde. Kommunisten allerdings wurden verfolgt, selbst wenn sie als Einzelkandidaten oder mit Wählergruppen auftraten.
Die Aussage, dass das Recht immer das Recht der Herrschenden ist, hat sich in der Geschichte der Bundesrepublik deutlich gezeigt. Nach dem KPD-Verbot gab es, wie Alexander von Brünneck in seiner Arbeit "Politische Justiz gegen Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland" aus der edition suhrkamp feststellte, fast 100 000 Ermittlungsverfahren und 10 000 Verurteilungen. Andere Autoren sprechen von deutlich mehr Ermittlungsverfahren, was wohl auch stimmt, wenn berücksichtigt wird, dass jeder Brief aus der DDR erfasst wurde und sofort ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, wenn in dem Brief eine Zeitung oder Druckschrift aus der DDR lag.

In einem Hausdurchsuchungsbefehl bei der Familie Müller aus Hannover war in dem Beschlagnahmeprotokoll zu lesen: Buch "Ahrendsee die Perle der Altmark"; Buch "Feudalmuseum in der Burg Wernigerode" ...

Bei mir wurden Schallplatten beschlagnahmt. So Schostakowitschs 7. Symphonie, das ist die Leningrader Symphonie.

Lutz Lehmann berichtete bereits 1966 in seinem Buch "Legal & Opportun" (Voltaire-Verlag) über haarsträubende Fälle der politischen Strafjustiz in Folge des KPD-Verbots.

Auch die KPD berichtete in Veröffentlichungen darüber. Und die Initiative zur Rehabilitierung der Opfer des Kalten Krieges informiert seit 1988 über die Problematik, wozu heute ja auch noch die Opfer der Berufsverbote-Politik und die Verfolgungen von DDR-Bürgern kommen.
Nicht immer blieb es bei Ermittlungsverfahren, sondern oft genug wurden daraus auch Strafverfahren mit empfindlichen Strafen, wobei übermäßig lange und unzulässige Untersuchungshaft keine Seltenheit waren.
Die Kette der Kommunistenverfolgungen seit den Kölner Kommunisten-Prozessen ist bis heute nicht durchbrochen. Mit dem Strafrecht bzw. Strafunrechtsparagraphen setzt sich auch heute die Verfolgung Andersdenkender fort.

Peter Dürrbeck

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