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Samstag, 21. April 2012

Der Prozess gegen das Friedenskomitee der BRD

Auch das gehört zur Geschichte der Bundesrepublik


Die Mitglieder des Friedenskomitees der Bundesrepublik Deutschland -
Bildnachweis: VVN-BdA Bochum
Am 8. April 1960 fand ein Prozess der bundesrepublikanischen Schande sein Ende. Die politische Sonderkammer des Landgerichts Düsseldorf sprach am 56. Verhandlungstag, das Urteil gegen sechs führende Mitglieder des Friedenskomitees der Bundesrepublik Deutschland. Das waren : (1) der Pfarrer i. W. Johannes Oberhof, (2) der frühere Pfarrer Erwin Eckert, (3) der Diplomdolmetscher Walter Diehl, (4) der Gärtnereibesitzer Gerhard Wohlrath, (5) der kaufmännische Angestellte Gustav Thiefes, (6) der Versicherungsangestellte Erich Kompalla.

Walter Diehl wurde zu einem Jahr Gefängnis ohne Bewährung verurteilt. Das Urteil wurde im Revisionsverfahren auf 9 Monate Gefängnis (auf Bewährung) reduziert. Erich Kompalla erhielt eine Geldstrafe von DM 500. Die anderen erhielten Gefängnisstrafen zwischen 9 und 3 Monaten auf Bewährung.

Angeklagt war auch die frühere Münchener Stadtverordnete Edith Hoereth-Menge. Gegen ihren Protest wurde sie von der Sonderkammer des LG aus Gesundheitsgründen von der Teilnahme am Prozess ausgeschlossen. Sie war Mitglied des Weltfriedensrates und maßgeblich daran beteiligt, dass es für den Stockholmer Appell zur Ächtung der Atomwaffen eine starke Beteiligung aus der Bundesrepublik zur weltweiten Sammlung von über 500 Millionen Unterschriften gab.

Erwin Eckert und Gerhard Wohlrath waren bereits wegen ihres Kampfes gegen Krieg und Faschismus von der Nazijustiz verfolgt.

Über Menschen wie sie schrieb Heinrich Hannover im Vorwort zum Buch Rolf Gössners "Die vergessenen Justizopfer des Kalten Kriegs" u. a.: Zu ihnen gehörten "Menschen, denen zweimal in ihrem Leben Justizunrecht zugefügt worden ist, das erste Mal von Hitlers Nazijustiz und das zweite Mal von Richtern, die den Eid auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung geleistet hatten. Und oft genug waren es Richter, deren erster Treueschwur dem Führer Adolf Hitler gegolten hatte. Sie brauchten als Waffenträger des Kalten Krieges nur geringfügig umzulernen. Den Feind kannten sie schon." Hier bezog sich Hannover wohl auf den CDU-Bundestagsabgeordneten Hassler, der im Bundestag vom 1. Strafrechtsänderungsgesetz von 1951, dem "Blitzgesetz" sagte, es sei eine Waffe, die geschmiedet wurde, um im Kalten Krieg zu bestehen. Denn die Anklageschrift stützte sich eben auf dieses Blitzgesetz, das nach seiner Verabschiedung 1951 bis zum 8. Strafrechtsänderungsgesetz von 1968 zu einer Quelle zehntausendfachen politischen Unrechts wurde.

Die Anklageschrift war vom Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Dr. Max Güde erstellt worden. Gegen seinen Widerstand hatte der BGH die Verhandlung der Anklage an das LG Düsseldorf abgegeben. Die Anklageschrift stand unter dem Zeichen 1 StE 1/58 - (StE 159/52)

Doch das LG Düsseldorf verhandelte ganz auf der von der Anklage vorgegebenen Linie. Und das war der Antikommunismus und Antisowjetismus. Jegliche Kritik an der Politik der CDU und der CDU-geführten Regierung wurde als Angriff auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung gewertet. Da hatte Adenauer an Ludwig XIV. und seinen Ausspruch angeknüpft: "Der Staat, das bin ich." Wer sich danach nicht richtete, bekam es mit dem juristischen Knüppel des Adenauerstaates zu tun. Das prägte dann auch den ganzen Prozessverlauf. Da saß nicht nur das Friedenskomitee auf der Anklagebank, sondern gleich der ganze Weltfriedensrat, an dessen Arbeit einige der Angeklagten führend teilgenommen hatten. Da auch die KPD vor und selbstverständlich auch nach dem Verbot eine Politik der Friedenssicherung für unser Land verfolgte, wurde dann auch stets vom kommunistischen Friedenskomitee gesprochen. Und der Regierung der Sowjetunion wurde unterstellt, sie wolle den Weltfriedensrat in eine "kommunistische UNO" umgestalten. (Anklageschrift Seite 10, 1. Abs.) Der Angeklagte Eckert habe in einem Rundschreiben vom 21. 9. 1951 Bundeskanzler Adenauer vorgeworfen, er habe US-amerikanische Kriegspläne nachdrücklich begrüßt (Anklageschrift Seite 21 unter 5.). Da hatte der Herr Generalbundesanwalt wohl die Tatsache verdrängt: "Als Bundeskanzler Adenauer im August 1950 den Westmächten anbot, ein Kontingent westdeutscher Soldaten für eine "Europa-Armee" aufzustellen, trat Innenminister Heinemann aus Protest dagegen zurück und legte in einem Memorandum vom 13. 10. die politischen Gründe dafür dar, weshalb er Adenauers Initiative für verfehlt hielt." (Gustav Heinemann "Einspruch - Ermutigung für entschiedene Demokraten", Verlag J.H.W. Dietz Nachfolger 1999, Seite 110 ff.) Als Zeuge der Verteidigung sagte Dr. Dr. Gustav Heinemann im Prozess aus, was aber vom Gericht nicht berücksichtigt, wurde. Die Ursache dafür lag wohl auch darin, dass bei Prozessbeginn sein Ausgang bereits festlag: Alle Personen, die sich für den Frieden einsetzen, zu diffamieren und die Friedenskomitees aller Ebenen in der BRD zu diskreditieren, um Menschen von der Betätigung für die Ziele der Friedensbewegung abzuhalten, um auch den letzten Widerstand gegen die Adenauersche Kriegspolitik zu brechen.

Die Anklageschrift unterstellt entgegengesetzt der Wahrheit auf Seite 2 ff. "in Düsseldorf und anderen Orten im In- und Ausland seit 1951 (das Friedenskomitee wurde 1949 im Bonner Rathaus gegründet, aber 1951 wurde das Blitzgesetz verabschiedet, das die juristischen Gründe für diesen Prozess wie für Zehntausende andere abgab) fortgesetzt und gemeinschaftlich durch dieselbe Handlung a) die Bestrebungen einer Vereinigung, deren Zwecke oder deren Tätigkeit sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten, als Rädelsführer gefördert zu haben, b) an einer Verbindung teilgenommen zu haben, deren Zweck vor der Staatsregierung geheim gehalten werden soll, und zwar als Vorsteher. (...) Die Anklageschrift entlarvt die Geheimhaltungsabsicht selbst als eine Unterstellung, die diffamieren soll. Im Abschnitt "V. Publizistische Tätigkeit der Friedensorganisationen" nimmt die Aufzählung der Publikationen 70 Seiten ein. Wer macht sich eine solche Arbeit, wenn er Geheimhaltung beabsichtigt?

In dem von Friedrich-Martin Balzer herausgegebenem Buch "Justizunrecht im Kalten Krieg - Die Kriminalisierung der westdeutschen Friedensbewegung im Düsseldorfer Prozess 1959/60" (Papy Rossa, Köln 2006) schreibt Walter Giehl am Ende seines Beitrags: "Eine Nachbemerkung fürs Heutige: Exekutive und Justiz der alten Bundesrepublik waren wahrlich keine Gralsritter mit weißem, unbeflecktem Schild. Wer arbeitet die ´Altlasten´ dieser Republik auf?" Wir, die Initiativgruppe für die Rehabilitierung der Opfer des Kalten Krieges, haben in den vergangenen 20 Jahren dazu mancherlei - auch parlamentarische - Anstöße gegeben. Zunehmend wird dazu auch unser Archiv, das wir mühsam zusammengetragen haben, für verschiedene Zwecke genutzt.

Doch auch der damalige Generalbundesanwalt Güde hat wohl auch aus den Erfahrungen dieses Prozesses Schlussfolgerungen gezogen. Die Güde-Titelgeschichte im Spiegel vom 5. August 1961 machte das publik. Mit Blick auf den Prozess gegen das Friedenskomitee der BRD schrieb die Redaktion kommentierend: "Staatsanwaltschaft und Gericht operierten mit dem deutschen Recht fremden Begriff der ´Kontaktschuld´. So wie in der griechischen Sage der phrygische König Midas alles, was er berührte, in Gold verwandelte, so wurde alles, was Kommunisten unterstützten, sofort verfassungsfeindlich. Das war die Faustregel der Urteilsfindung." Doch Güde spitzte seine Kritik gemessen an der Vergangenheit zu. Und der Höhepunkt war die Feststellung: "Die heutige politische Justiz judiziert aus dem gleichen gebrochenen Rückgrat heraus, aus dem das Sondergerichtswesen (Hitlers) zu erklären ist." Und den Bundestagsabgeordneten schrieb er ins Stammbuch: "Die Bundestagsabgeordneten wissen überhaupt, was sie (mit dem Ersten Strafrechtsänderungsgesetz 1951) beschlossen haben." Hinsichtlich der Äußerungen Güdes im Spiegel schrieb Diether Posser in seinem Band "Anwalt im Kalten Krieg" (Seite 257): "Auch andere Stellen dieser Güde-Titelgeschichte stimmten uns hoffnungsfroh. Für viele, gerade auch für Heinemann und mich, waren die Äußerungen Güdes wie eine Befreiung." Das Düsseldorfer Urteil vom 8. April 1960 war juristisches Unrecht. Es zeigt sich, dass das ganze Verfahren nur eingeleitet und durchgeführt wurde, um mit Hilfe der Gesinnungsjustiz unter dem Vorwand angeblich schwerer Vergehen die Betätigungsmöglichkeiten für die Friedensbewegung in der Bundesrepublik einzuschränken. Die herrschenden und Regierenden wollten durch das Urteil erreichen, das sich die sechs führenden Persönlichkeiten des FK der BRD auf lange Zeit nicht politisch im Sine der Verständigung und des Friedens betätigen sollten. Das Urteil richtete sich damit gegen die Friedensbewegung in ihrer Gesamtheit.

Doch der Bereitschaft zum Engagement für den Frieden und vor allem gegen die Gefahr eines Atomkriegs wurde durch das Urteil nicht der Boden entzogen. Der "Marsch von London nach Aldermaston" wurde europaweit aufgegriffen. Ein Jahr danach, 1960, nur eine Woche nach dem Düsseldorfer Urteilsspruch, begann der erste Ostermarsch in der BRD, von Hamburg und anderen norddeutschen Städten nach Bergen-Hohne. Im Jahr darauf ging der erste Ostermarsch Ruhr von Oberhausen (Rheinland) über drei Tage durch das Ruhrgebiet nach Dortmund. In Oberhausen gingen wir mit ca. 250 Marschierern los und kamen Ostermontag mit 5 000 Teilnehmern in Dortmund an.

Die Ostermärsche wurden über Jahrzehnte zu einer Massenbewegung, mit wenn auch schwankender Beteiligung. Das zeigt: Die Idee des Friedens bleibt lebendig!

Karl Stiffel

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